Values and rights, rule of law, security
#TheFutureIsYours Looking after citizens’ freedoms
Europa Aktuell: Polens Rolle in der EU: Droht der Polexit?
Das Europäische Informations-Zentrum lädt im Rahmen der Reihe „Europa Aktuell“ zu der Online-Veranstaltung Polens Rolle in der EU: Droht der Polexit? ein. Die Veranstaltung findet am 01. Dezember von 19.30 – 21.00 Uhr statt.
Die Entwicklungen in einzelnen EU-Mitgliedstaaten, vor allem in Ungarn, aber auch in unserem östlichen Nachbarland Polen haben es gezeigt: Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa brauchen einen neuen „Push“. Das große Mitgliedsland im Herzen Europas, Polen, ist eine gespaltene Gesellschaft. Die Polarisierung zwischen nationalkonservativen und liberalen gesellschaftliche Gruppen ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Ist das Land auch gespalten zwischen Stadt und Land, Westen und Osten? Welchen Platz kann und will Polen in Europa einnehmen? Wie steht es um Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit in unserem Nachbarland? Und wie können wir ein besseres Verständnis für die Ursachen steigender Ablehnung europäischer und westlicher Grundwerte in Teilen Polens und anderer östlicher EU-Mitgliedstaaten entwickeln?
Darüber diskutieren Malgorszata Burek, die der polnischen Opposition nahesteht und der Politikwissenschaftler Siebo Janssen.
Wir freuen uns auf Ihre Fragen – live oder im Chat.
Die am 09. Mai 2021 gestartete Konferenz zur Zukunft Europas ermöglicht es Bürgerinnen und Bürgern ihre Ideen einzubringen. Die Ergebnisse der Debatte werden wir daher in die Konferenz tragen: https://futureu.europa.eu
Anmeldungen bitte bis zum
29.11.2021 per Mail an
eiz-event@mb.niedersachsen.de
Die Zugangsdaten zur Online-Veranstaltung erhalten Sie am Tag vor dem Event.
Event report
Katrin Reich, die komm. Leiterin des EIZ und ED Niedersachsen übernahm die Begrüßung des Moderators, des/der Expert*in und der Teilnehmer*innen. Die Veranstaltung fand im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas statt. Seit Mai werden Bürger*innen aufgerufen ihre Ideen und Meinungen zu insgesamt 10 Themenfeldern zur Zukunft Europas einzubringen. Die verschiedenen Diskussionspunkte dieses Abends werden auf dieser Plattform ebenfalls einge-bracht und wurden vorab unter den Rubriken Werte und Rechte, Rechtstaatlichkeit und Sicherheit eingestellt und bekannt gemacht. Der Anlass für diese Veranstaltung sind die aktuellen Entwicklungen in einzelnen EU-Mitgliedstaaten, vor allem in Ungarn, aber auch in unserem östlichen Nachbarland Polen. De-mokratie und Rechtsstaatlichkeit sind nicht mehr selbstverständlich und brauchen in Europa einen neuen „Push“. Die freiberufliche Übersetzerin und Vorstandsmitglied des Vereins „Mitte 21“ Malgorzata Bu-rek, die sowohl Deutschland als auch Polen gut kennt, und der Politologe und Historiker Siebo M. H. Janssen diskutierten über komplexe Fragen im Bezug auf Polens Rolle in der EU und einem möglich drohenden Polexit. Moderiert wurde diese Online Veranstaltung und Diskussi-onsrunde von Jochen Leyhe. Ein Diskussionspunkt war die aktuelle Konfliktsituation an der Grenze zwischen Polen und Weißrussland, die eine neue Problematik hervorgebracht hat. Siebo M.H. Janssen führte da-zu aus, dass die Migranten und Flüchtlinge gezielt mit dem Versprechen, dass sie in die EU gehen und Asyl beantragen können, aus dem Irak, Afghanistan, etc. geholt wurden. Dadurch möchte Lukaschenko die EU unter Druck setzen, damit die Sanktionen gelockert werden. Die Flüchtlinge leben unter niederen Bedingungen in einer Art Niemandsland zwischen Polen und Weißrussland und werden mit sogenannten „Push Backs“ zurückgedrängt. Die EU hat sich in dieser Frage der Provokation klar hinter Polen gestellt. Dennoch gab es relativ wenig Kritik von Seiten der Mitgliedsstaaten und den Regierungschefs an den „Push Backs“. Die Asyl- und Flüchtlingspolitik wird in den meisten Mitgliedsstaaten der europäischen Union sehr ungern betrachtet. Außer Frontex als Abwehrmaßnahme, gibt es kein gemeinsames Kon-zept. Einerseits hat die europäische Union in der Flüchtlingsfrage mit Polen Solidarität geübt, aber andererseits bleibt die kritische Auseinandersetzung zum Thema Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit und demokratische Entwicklung bestehen, so die Einschätzung von Siebo M.H. Janssen. Ein weiteres angesprochenes Thema war, dass die Polarisierung zwischen nationalkon-servativen und liberalen gesellschaftlichen Gruppen in Polen in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Polen ist eine gespaltene Gesellschaft. Malgorzata Burek zeigte auf, dass nach der Machtübernahme der PIS viele Menschen, wie auch sie selbst, die vorher nichts mit Politik zu tun hatten, angefangen haben, sich zu engagieren. Mit den, durch den politischen Umbruch, einhergehenden Veränderungen, waren viele polnische Bürger*innen nicht einver-standen. Vor allem mit der schnellen und rücksichtslosen Umsetzung. In Polen sind seitdem Gesprächspunkte wie Abtreibung und das Verhältnis zur EU ein großes Thema. Diese The-men polarisieren und spalten die Gesellschaft und bewegen die Leute dazu, sich für Politik zu engagieren, führte Malgorzata Burek aus. Siebo M.H. erläuterte zu den Punkten Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit, dass die PIS das Rechtssystem in Polen komplett umgebaut hat, oder dabei ist, es umzubauen. Das Ver-fassungsgericht und deren Unabhängigkeit wurde wesentlich geschwächt und zudem in den unteren gerichtlichen Ebenen PIS-treue Jurist*innen eingesetzt. Aber es regt sich auch Wider-stand. Es lassen sich nicht alle „gleichschalten“, aber der Druck ist enorm. In diesem Zusam-menhang soll eine neugegründete Kammer überwachen und dieses „vorgefertigte“ Recht und Urteil sprechen. Das polnische Verfassungsgericht erkennt zudem nicht mehr an, dass das europäische Recht automatisch vorrangig vor dem polnischen Recht gilt. Selbst in den verge-meinschafteten Bereichen nicht, in denen die Kompetenzen klar an die EU übertragen worden sind. Damit ist der Polexit zwar nicht faktisch, aber im juristischen Sinne bereits ein stückweit vollzogen worden, so Siebo M. H. Janssen. In Teilen der osteuropäischen Staaten tuen sich Herrschaftsformen auf, die demokratisch gewählt wurden, aber die eher an Autoritarismus als an liberale Werte erinnern. Für Länder, die Mitglied der europäischen Union werden wollen, gibt es aber die Kopenhagener Kriterien, die auf Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Menschen-rechte beruhen. Diese drei Kernwerte werden von einigen Mitgliedsstaaten der EU immer öf-ters in Frage gestellt. Die Niederlande forderten kürzlich, dass Polen nur noch Gelder erhalten soll, wenn die Rechtsstaatlichkeit in dem Land gewahrt bleibt. Die Härte, die an den Tag gelegt wurde, ist aber schnell wieder einem Kompromiss gewichen. Die EU-Kommission agierte zu zögerlich gegen die Rechtsverstöße von Polen und Ungarn. Das Europaparlament verklagte daraufhin im Oktober 2021 die EU-Kommission vor dem Europäische Gerichtshof, weil Sie eine neue Regelung in EU-Staaten zu Rechtsstaatverstößen bislang nicht angewendet hatte. Man er-warte ein konsequenteres Handeln und die Umsetzung dessen, was man zum Thema Rechts-staat in der Plenardebatte gesagt hat. Die EU-Kommission wollte unterdessen erst tätig wer-den, wenn der EuGH über die Klage von Polen und Ungarn entschieden hat. Ein weiterer Diskussionspunkt war, dass Polen in Stadt und Land und im Westen und Osten bereits eine stark gespaltene Nation ist. Malgorzata Burek erwähnte, dass Bürger*innen auf dem Land für zusätzliche Zahlungen dankbar sind. Viele seien auch aufgrund finanzieller Prob-leme ausgewandert. In der Stadt gibt es andere Probleme und die Oppositionen sind dort stär-ker vertreten. Siebo M. H. Janssen ergänze diesbezüglich, dass es Fonds und Strukturgelder gibt, die nur an die Mitgliedstaaten selber gehen. Sogenannte Regionalfonds gehen eher in die Regionen. Man überlegt in Brüssel die Gelder den Regionen zukommen zu lassen, die kritisch mit der Regierung auseinandersetzen. Das würde die Oppositionen oder Regionen mit hohen Oppositionsanteilen unterstützen, aber die PIS Regierung würde daran sicherlich Kritik äußern und sagen, dass die EU nur die ihnen genehmen Teile unterstützen würde. Die Frage dabei ist, ob es sinnvoll ist, die Spaltung im Land damit noch größer zu machen. Dies würde zu ei-nem noch stärkeren Auseinanderdriften der polnischen Gesellschaft führen, sagte Siebo M.H. Janssen weiter. Für die Zukunft ist zu klären, welchen Platz Polen in Europa einnehmen kann und will. Mal-gorzata Burek legte dar, dass ca. 79% der Bürger*innen keinen Austritt aus der EU oder einen Polexit befürworten würden. Das Verhältnis zu Deutschland oder anderen europäischen Staa-ten wäre auf menschlicher Ebene gut. Ein Referendum wie in Großbritannien zum Brexit, wäre somit in Polen eher unwahrscheinlich. Die Mitgliedsstaaten können prinzipiell auch nicht aus einfach aus der EU ausgeschlossen werden. Die polnische Regierung müsste über einen Aus-tritt selbst entscheiden, hieße aber auch, dass Polen keine Gelder mehr von der EU bekom-men würde. Jochen Leyhe fragte Siebo M.H. Janssen noch nach der Rolle der Nato, die nach wie vor für den Bereich der Sicherheit in Europa wichtig ist. Siebo M.H. legte dar, dass das Vertrauen des Westens in Russland klar erschüttert ist und die Stimmung zwischen dem Westen und Russland noch nie so schlecht wie im Moment in den letzten 40 Jahren war. Verteidigungs- und sicherheitspolitisch könnte zukünftig auch das Weimarer Dreieck wieder eine stärkere Rolle in Europa spielen, da die neu gewählte Außenministerin Annalena Baerbock die Gesprä-che dazu mit Frankreich und Polen wieder intensivieren möchte. Malgorzata Burek antworte abschließend auf die Frage, wo sie Polen in ca. 5, 10 oder 15 Jah-ren sieht, dass sie optimistisch in die Zukunft Blick und Polen weiterhin in der EU und in Euro-pa positioniert sein wird. Die gegenwärtigen Konflikte und Probleme würde man dann als Ge-schichte betrachten. Zwischenfragen der Teilnehmenden Während der Podiumsdiskussion gab es über den Chat immer wieder Zwischenfragen, die der Moderator Jochen Leyhe in das Gespräch einbrachte. Hier eine Zusammenfassung der we-sentlichen angesprochenen Punkte. In Bezug auf die polnische Regierung, wollte eine Teilnehmerin wissen, welche inhaltli-chen Kritikpunkte man an Donald Tusk hat. Hier führte Siebo M.H. Janssen aus, dass die Kritikpunkte einerseits wirtschaftspolitischer Natur sind. Die PIS versucht sehr stark mit sozial- oder familienpolitischen Positionen Wähler zu gewinnen. Anderseits würde man ihm vorwer-fen, er wäre zu Brüssel hörig. Sozialpolitische Leistungen bieten natürlich den Wählern ein triftiges Argument diese Partei zu wählen und die PIS weiß natürlich genau, dass sie die Gel-der nur an ihre Wähler verteilen kann, weil sie sie von der europäischen Union bekommt. An-dere entscheidende Themen wie Rechtstaatlichkeit, demokratische Kultur, u.a. treten dadurch aber auch wieder in den Hintergrund. Eine weitere Frage war, ob die Protestbewegung, insbesondere auch die Frauen, ein demokratisches Selbstverständnis, das über den konkreten politischen Anlass hinaus-geht, hat. Malgorzata Burek antwortete, dass aktuell das Thema Abtreibung in Polen eine große Rolle spielt. Im Sejm bzw. im polnischen Parlament, wurde im Dezember 2021 bespro-chen, ob sie komplett abgeschafft wird. Dieses Thema polarisiert sehr und hat enorme soziale Resonanz. Ein Teilnehmer interessierte sich dafür, welche Rollen die deutsch-polnischen Städte-partnerschaften zukünftig spielen könnten. Siebo M.H. Janssen antworte, dass deutsch-polnische Städtepartnerschaften und andere Einrichtungen den Austausch miteinander fördern können und helfen können, ein besseres Verständnis füreinander zu entwickeln. Aufgrund der Corona Pandemie seien aber auch diese Kontakte zum erliegen gekommen. Die Gespräche mit Bürgermeistern und Städten lösen aber die grundsätzlichen Probleme nicht und der Aus-tausch und die Zusammenarbeit würde nur auf kommunaler, nicht aber auf politischer Ebene, stattfinden. Auf Interesse stieß auch, wie allgemein in Deutschland und in den Nachbarländern die mediale Darstellung der (jur.) Konflikte der EU mit Polen aussieht. Siebo M.H. Janssen führte aus, dass die „Gleichschaltung“ z.B. in Ungarn weiter fortgeschritten sei als in Polen. In Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien gab es eine große Berichterstattung. Im Allgemeinen gibt es eine breite Positionierung, die von einer Nichteinmischung über eine For-derung nach Zurückhaltung bis hin zu dem Wunsch nach mehr Tätigkeit, gegen die Versuche des Abbaus der Rechtsstaatlichkeit, reicht. Im Anschluss an die Diskussion bedankte sich der Moderator Jochen Leyhe bei den Teilneh-menden für das Interesse und die Aufmerksamkeit an dieser Online Veranstaltung sowie für die rege Beteiligung in Form von Zwischenfragen. Als Fazit brachte Jochen Leyhe abschlie-ßend noch ein, dass aus seiner Sicht ein Polexit vorerst nicht wahrscheinlich ist, aber die an-gesprochenen Probleme einer gemeinsamen Lösung seitens der EU und Polen bedürfen.Share:
Share link:
Please paste this code in your page:
<script src="https://futureu.europa.eu/processes/ValuesRights/f/11/meetings/93293/embed.js"></script>
<noscript><iframe src="https://futureu.europa.eu/processes/ValuesRights/f/11/meetings/93293/embed.html" frameborder="0" scrolling="vertical"></iframe></noscript>
Report inappropriate content
Is this content inappropriate?
- Call us 00 800 6 7 8 9 10 11
- Use other telephone options
- Write to us via our contact form
- Meet us at a local EU office
- European Parliament
- European Council
- Council of the European Union
- European Commission
- Court of Justice of the European Union (CJEU)
- European Central Bank (ECB)
- European Court of Auditors (ECA)
- European External Action Service (EEAS)
- European Economic and Social Committee (EESC)
- European Committee of the Regions (CoR)
- European Investment Bank (EIB)
- European Ombudsman
- European Data Protection Supervisor (EDPS)
- European Data Protection Board
- European Personnel Selection Office
- Publications Office of the European Union
- Agencies
0 comments
Loading comments ...